Reflections on work and life.

Gedanken zu Arbeit und Leben. Von Franz Kuehmayer.

Früher war mehr Lametta

Wir schwenken in die Zielgerade des Jahres ein, Weihnachten liegt gerade hinter uns und so ist jetzt gerade der ideale Zeitpunkt, um an das berühmte Loriot-Zitat zu denken: Früher war mehr Lametta.

Besonders zu wiederkehrenden Ereignissen wie Festtagen oder auch gegen Jahresende, wenn wir Zwischenbilanz ziehen, beschleicht uns dieser Verdacht: Früher war mehr Lametta, früher war alles besser. Der Christbaumschmuck war irgendwie leuchtender, es gab weiße Weihnachten, die Menschen waren nicht so in Hektik und Eile, der Konsumrausch stand nicht so sehr, jedenfalls war alles viel billiger und überhaupt: All die Probleme, die wir jetzt haben, hat es damals noch nicht gegeben. 

Die gute alte Zeit eben.

Auch wenn unmittelbar klar ist, dass das so wohl nicht ganz stimmt, das Gefühl, früher wäre irgendwie alles besser gewesen, dieses Gefühl haben wir alle ab und zu. Warum eigentlich?

Einer der Gründe ist sicher, dass die Nachrichtenlage früher viel karger war. Es gab die Hauptabendnachrichten-Sendung im Fernsehen, eine Viertelstunde, 20 Minuten lang, in die alles hinein gepackt war, was an diesem Tag auf der Welt passiert ist. Und es gab Printmedien, die Tageszeitung und Wochenmagazine. Alles mit beschränktem Platz, und alles kuratiert von Redaktionen, gefiltert, bewertet, ausgesucht. Heute liefern das Internet, Soziale Medien, Podcasts, Blogs einen endlos breiten und tiefen Strom an Information – es gibt kein Limit mehr, weder geografisch, noch inhaltlich, noch zeitlich. Mit allen Vor- und Nachteilen, die das nach sich zieht. Die „Heile-Welt-Bubble“ von damals wurde durch diesen Information Overflow jedenfalls ziemlich rabiat aufgestochen. Daran nagt unser Bewusstsein, wenn wir uns an früher erinnern. Das ist der eine Grund. 

Der andere, viel wichtigere Grund, warum wir glauben, das früher alles besser war, lautet: Weil unser Gehirn und unsere Wahrnehmung uns immer wieder ein Bein stellen. Wir glauben, mit unserem klaren Verstand die Welt völlig objektiv zu beurteilen, tun das aber tatsächlich nicht. Weder in unserer Erinnerung, noch in der Gegenwart. 

Früher war alles … früher.

Bleibt man nämlich bei den Fakten, dann ist es beinahe egal, welche Daten man heranzieht – Lebenserwartung, Wohlstand, Gesundheit, usw. – man kommt immer zur Erkenntnis, dass es uns heute besser geht denn je. 

Auch wenn der eigene Verstand und smarte Marketingabteilungen nach dem Motto „Es gibt sie noch, die guten Dinge“ es uns nahelegen: Früher war nicht alles besser. Früher war einfach nur früher.

Wenn wir nach hinten blicken, dann verklären wir und selektieren die Tatsachen: Dann erinnern wir uns zwar daran, dass das Jolly-Eis nur einen Schilling gekostet hat, aber nicht an Aids, Modern Talking und Vokuhila-Frisuren. Es gibt genug Gründe, die 80er Jahre nicht zu verklären. Zum Beispiel, dass es jene Zeit war, als saurer Regen unsere Wälder gefährdet hat, in unseren Nachbarländern im Osten von Freiheit und Demokratie noch lange keine Rede war, Tschernobyl in die Luft geflogen ist und die Gleichberechtigung für Frauen in ganz weiter Ferne lag.

Wer ist „uns“?

Mit diesem letzten Halbsatz kommen wir einer weiteren Selektionsfalle auf die Spur: Wenn es heißt, früher ist es uns besser gegangen als heute, dann lautet eine der wichtigsten Rückfragen: Wer ist „uns“? Wem ist es früher besser gegangen?

Frauen jedenfalls nicht: Bis 1975 musste der Ehemann die Zustimmun erteilen, wenn die Frau berufstätig werden wollte, die Vergewaltigung in der Ehe ist in Österreich erst seit 1989 strafbar, in Deutschland sogar erst seit 1997. 

Wenn man sagt „uns“ ging es besser, dann ist es ganz lohnend, die demographische Grundgesamtheit ein bisschen feiner aufzuteilen – dann wird man feststellen, dass es kaum eine Gruppe gibt, der es damals objektiv besser gegangen ist als heute.

Perspektivenwechsel und Zerrbilder

Wir verklären die Vergangenheit, entgegen aller objektiven Daten. Und wenn wir nach vorne schauen? Dann scheint es so, als ob uns zwischen Corona Kontaktsperren, allgegenwärtigen Krisen und absehbarem Klimawandel der Glaube an die Zukunft abhanden gekommen sei.

Nicht nur in unserer Erinnerung, auch in der Gegenwart sind wir nicht wirklich objektiv. Wenn Sie beispielsweise mehrmals hintereinander von Eisenbahnunglücken hören, gelangt Ihr Gehirn zu der Erkenntnis, dass Bahnfahren sehr gefährlich ist, obwohl das mit Blick auf die Unfallstatistik objektiv nicht stimmt. Dieser Effekt, eine der vielen kognitiven Verzerrungen, die uns unbewußt beeinträchtigen, heißt Verfügbarkeitsheuristik: Wir orientieren uns an den Nachrichten, die unmittelbar vor unserer Nase sind. Das verleitet Sie dann dazu, statt mit der Bahn mit dem Auto in den Urlaub zu fahren, was tatsächlich wesentlich riskanter ist. 

Egal, ob wir in die Vergangenheit schauen, die Gegenwart analysieren oder Pläne schmieden: Wir können zwar zu Recht wahnsinnig stolz auf unser menschliches Gehirn sein, aber Denkfehler passieren uns trotzdem am laufenden Band. Nur wenn wir uns ein wenig anstrengen und bewusst reflektiert herangehen, gelingt es uns, einigermaßen objektiv zu sein. Genau dieses Innehalten, reflektieren, mit kühlem Verstand auf Daten zu blicken, und erst darauf eine Entscheidung aufzubauen, ist für Zukunftsarbeit ganz entscheidend, und das mache ich daher in meinen Beratungsprojekten auch sehr häufig mit Kunden.

Die Brille ist nicht rosa. Der Rückspiegel schon.

Zurück zur Ausgangsfrage: Weshalb meinen wir, früher sei alles besser gewesen? Warum verklärt unser Gehirn die Vergangenheit?

Dieser rosarote Rückspiegel ist ein Element unserer Psychohygiene. Indem wir die Vergangenheit schönfärben, zahlen wir auf unser Krisenbewältigungskonto ein, von dem wir dann abheben können, wenn es uns im Heute schlecht geht. Tatsächlich kann Nostalgie unsere Resilienz stärken. Sie verleiht unserer Autobiografie ein Gefühl von Sinnhaftigkeit, die wahrgenommene Kontinuität im Leben dient dann als roter Faden für unser jetziges Dasein. Und sie lässt uns an Momente denken, in denen wir schwierige Situationen schon einmal gemeistert haben. In der Therapiearbeit werden zum Beispiel durch aktives Erinnern an frühere Erlebnisse mentale Ressourcen für die Bewältigung aktueller Probleme aktiviert.

Aber auch wenn das nostalgische Schwelgen in Erinnerungen manchmal ganz gut tut, es ist doch auch immer eine bittersüße Reise in die Vergangenheit. Denn das, was wir da anhimmeln, kommt in dieser Form ja nicht wieder. Wenn uns das klar wird, kann aus den verklärten „guten alten Zeiten“ jener bittere Pessimismus werden, der meint, die besten Zeiten lägen hinter uns. Solange aus fallweise romantischer Verklärung keine dauerhafte Rückwärtsgewandtheit und Gegenwartsflucht wird, ist das an-Gestern-Denken ungefährlich. Erst wenn Nostalgie in dauerhafte Melancholie oder letztlich sogar in die Depression mündet, wird es kritisch. 

So weit kommt es in der Regel selten. Häufiger werden allerdings in Politik und auch in Unternehmen durch Nostalgie Entscheidungen beeinflusst. In der Politik sind es vor allem Populisten, die an eine Vergangenheit appellieren, die es in Wirklich niemals gegeben hat, nicht selten auch in Kombination mit nationalistischen Untertönen. Wohin das führt, lehrt uns die Geschichte, und es ist nicht erquicklich: In jüngerer Zeit war die Brexit-Entscheidung mit ihrem Rückgriff auf das Zerrbild der wohlständigen Großmacht Brittannien so ein Beispiel,  in den USA hat Trump mit „Make America great again“ ähnliche Emotionen bedient und auch in unseren Breiten gibt es solche Rattenfänger. In Unternehmen existieren Varianten davon: Innovationshemmende Formulierungen à la „Früher haben wir auch keine Smartphones gebraucht, um mit Kunden in Kontakt zu treten“, oder schlimmstenfalls sogar die Maximalvariante des Ideentodes: „Das haben wir schon immer so gemacht“.

Im Limbo der Transformation

Die nahezu unerschöpfliche Disziplin des Change Managements beschäftigt sich mit der Frage, warum sich viele Menschen nur ungern von alten Gewohnheiten lösen, warum sie in scheinbar besserer Vergangenheit schwelgen und sich mit Wandel schwer tun. Gefestigte Grundlage ist die Tatsache, dass Menschen verunsichert sind, wenn das gewohnte und vertraute Alte schon an Bedeutung verloren hat, das Neue aber noch nicht seine endgültige Gestalt angenommen hat.

Das ist gegenwärtig in vielen Bereichen der Fall: Die Arbeitswelt ist spürbar im Wandel, die Rolle Europas in der Welt verändert sich deutlich, wir haben die Jahrhundertaufgabe des Klimawandels zu bewältigen, künstliche Intelligenz beeinflusst zunehmend unser Leben – egal, wohin wir blicken, bewegen sich die Dinge. Wir merken: So wie es bisher gelaufen ist, kann es und wird nicht weitergehen – aber wir haben noch nicht alle Antworten für die Zukunft. 

Verunsicherung ist also ganz normal, und daher ist auch der Rückgriff auf vermeintlich positive Erinnerungen ganz normal. 

Entscheidend ist aber vor allem eine Erkenntnis: Wir leben nicht in düsteren Untergangszeiten, sondern in hoffungsvollen Aufbruchzeiten! Was uns in den nächsten wenigen Jahren gelingen kann, hat das Potential, die Lebenssituation von uns allen massiv zu verbessern. Wir leben heute in der besten aller bisherigen Zeiten, und die Chancen stehen sehr gut, dass die Zukunft noch besser wird, allen Unkenrufen zum Trotz.

Bei allem Verständnis für sentimentale Gefühle, es ist ganz wichtig, zu lernen, optimistisch und hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken und Ängste hinsichtlich der eigenen Zukunft ablegen.

5 Gründe für Zukunftsoptimismus

Der erste Gedanke führt zur Erkenntnis, dass wir – egal wo wir im Leben stehen – auf Ressourcen aufbauen können, die uns auch in der Zukunft helfen werden: Erfahrungen, die wir gemacht haben, Kenntnisse, die wir erworben haben, Freundschaften und Beziehungen, die auch morgen noch tragfähig sein werden. Wir starten nicht bei Null. Sich dieser Ressourcen bewusst zu werden, und sie auch immer wieder aufs Neue auszubauen, stärkt unser Selbstvertrauen. 

Zweitens leben wir im besten Zeitalter, die Zukunft zu gestalten, denn nicht nur der oder die Einzelne verfügt über Ressourcen, sondern der gesamten Welt stehen mehr und bessere Möglichkeiten zur Verfügung, als jemals zuvor, egal ob in Wissenschaft, Informationstechnologie, Medizin, Forschung. Es stimmt schon, wir haben große Aufgaben vor uns, herausfordernde Probleme in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft zu meistern, aber welch ein Glück, dass diese Aufgaben jetzt auf uns warten, in einer Zeit, in der wir über diesen Reichtum an technologischen und sozialen Möglichkeiten verfügen.

Drittens ist Optimismus ohnehin die pragmatische Sichtweise, die uns aus der Passivität holt. Am Beginn unserer persönlichen Handlungsfähigkeit steht genau die Einsicht in eben diese Fähigkeit: Ich bin nicht allmächtig, kann nicht alles verändern – ich bin aber auch nicht ohnmächtig, ich kann etwas bewegen. 

Viertens ist genau diese Selbstwirksamkeit auch ein sozialwissenschaftlich enorm wichtiger Gedanke. Der Ausbruch des Menschen aus seiner letztlich selbst verschuldeten Unmündigkeit ist das vermutlich erhellendste Resultat der Aufklärung. Und es hat seit damals weite Kreise gezogen, über das Bürgertum hinaus. So heisst es beispielsweise auch in der Internationale, dem Lied der Arbeiterbewegung:

Es rettet uns kein höh’res Wesen,
kein Gott, kein Kaiser noch Tribun
Uns aus dem Elend zu erlösen
das können wir nur selber tun!

Die Zukunft ist nicht determiniert, weder durch höhere Mächte, noch durch Automatismen oder durch andere Instanzen. Wir sind nicht hilflose Opfer, sondern Gestalter der Zukunft. Das ist letztlich eine sehr mächtige Botschaft, aber es knüpft sich auch die Verantwortung daran, diese Verfügungsmacht auch auszunutzen. 

Und schließlich fünftens stärkt uns hoffentlich doch das Vertrauen in die Einsicht des Menschen, grundsätzlich vernunftbegabt zu entscheiden und zu handeln – zumindest in der langfristigen Beschau hat sich das ja als richtig erwiesen.

Der Blick nach vorne – ohne Lametta

In diesem Sinne: Lassen Sie das ausklingende Jahr Revue passieren, freuen Sie sich über Erreichtes, haken Sie Unerfreuliches ab und stärken Sie sich mit noch verbliebenenen Weihnachtskeks und einer riesen Portion Zuversicht für die kommenden Aufgaben und Abenteuer, die das nächste Jahr bringen wird.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben erholsame Tage und einen guten Rutsch ins Neue Jahr.

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5 Prioritäten für HR

Klarheit im HR-Dickicht von KI, Employer Branding, People Analytics. 5 Prioritäten dienen als Kompass.

Der digitale Umbruch der Arbeitswelt hält Unternehmen auf Trab. Diese Entwicklung hat mit remote Work so richtig Fahrt aufgenommen, und parallel dazu mit allen Formen von HR-Automatisierung und People Analytics, und natürlich mit der zunehmenden Bedeutung der Bespielung digitaler Kommunikationskanäle für die Talent Akquisition.

Nun klopft KI an die Türe – und zwar lauter und deutlicher als viele es sich noch vor wenigen Monaten gedacht hatten. Eine aktuelle Untersuchung von McKinsey weist aus, dass 10% der europäischen Arbeitnehmer:innen bereits regelmäßig im beruflichen Kontext mit generative AI arbeiten, also bspw. Chat GPT regelmäßig einsetzen. Ungefähr gleich viele Menschen verwenden es häufig privat, mehr als 40% haben es zumindest schon einmal ausprobiert und nur jeder Fünfte hat noch gar keine Erfahrungen damit. KI ist blitzartig in der Mitte der Arbeitswelt angekommen. Dabei stehen wir erst ganz am Anfang. Die künftigen Auswirkungen auf personalrelevante Themenfelder wie Jobprofile, Kompetenzen usw. kann man sich nur ansatzweise ausmalen – und doch ist genau das von HR Verantwortlichen gefragt.

Personalmangel – es ist ja schon längst kein Fachkräftemangel mehr – hat mittlerweile alle Branchen erfasst. Die Ursachen liegen im Wandel des Arbeitsmarktes, kombiniert mit der demografischen Entwicklung. Manche Arbeitgeber, wie beispielsweise das österr. Bildungsministerium sind erstaunlicherweise völlig überrascht und werden von Pensionierungswellen – also Rentenantritten – eiskalt am linken Fuß erwischt, mit dem Ergebnis dass zu Schulbeginn plötzlich hunderte Lehrkräfte in Österreichs Schulen fehlen. Professionell geleitete Personalabteilungen agieren da schon vorausschauender, aber im Wettrennen um Arbeitskräfte hecheln alle Betriebe dringend gesuchten Mitarbeitern hinterher oder versuchen sie zu halten.

Im Übrigen beschäftigt weiterhin der Wertewandel in der Gesellschaft die Personalabteilungen nach wie vor intensiv. Der Stellenwert von Arbeit wird zunehmend neu oder anders beleuchtet und für die eine oder andere Führungskraft ergeben sich daraus mitunter frappierende Diskussionen mit Kandidat:innen und Mitarbeitenden.

Digitalisierung, KI, Arbeitskräftemangel, Wertewandel – die Themen, die auf der Agenda von Personalverantwortlichen stehen, sind enorm, haben massive Tragweiten und lassen sich keinesfalls einfach so neben dem Tagesgeschäft lösen.

Dazu kommt noch eine nicht enden wollende Fülle an HR spezifischen Themen: Active Sourcing, Employer Branding, Upskilling, Talent Intelligence, usw. – die Liste ist schier endlos. Zuweilen mag sich hinter diesen Schlagwörtern tatsächlich weniger eine vielversprechende Aktivitäten für HR verbergen, als vielmehr alter Wein in neuen Schläuchen. Aber natürlich sind auch klingende Marketingfloskeln von Anbietern von HR-Dienstleistungen durchaus legitim.

Bloß: Sieht man sich die Summe an Themen an, die auf dem Schreibtisch von HR liegt, zeigt sich deutlich, wie absolut notwendig es für Personaler ist, klaren Kopf und klaren Fokus zu bewahren, um die richtigen und wichtigen Entscheidungen zu treffen und in der Organisation umzusetzen.

In der Prioritätensetzung wird es dabei kaum gelingen, das eine oder andere zuvor genannte Megathema gegen das andere ins Rennen zu schicken. KI oder Employer Branding, das kann keine lohnende Frage sein.

Der Zugang muss daher anders gewählt werden, nicht über eine thematische Auswahl, sondern über ein Set von Zugängen, von Haltungen zu den Themen der Zeit. Vielleicht so etwas wie ein Kompass, der auf der Reise immer wieder daran erinnert, wie die Ausrichtung sein sollte. Und dieser Kompass ist durchaus branchenneutral anwendbar, für Unternehmen aller Größenordnungen und aus allen Industrien. Man könnte also beinahe „universelle Prinzipien der HR Arbeit von morgen“ dazu sagen, aber man kann auch beim schlichten „5 Prioritäten“ bleiben.

Die erste der fünf beschäftigt sich mit der Frage, wieviel Vorlaufzeit man für Transformationen einplanen sollte, wann der richtige Zeitpunkt ist, den Wandel einzuleiten, und in gewohnter Klarheit lautet die Aussage:

Jetzt. Nicht in der Zukunft. JETZT!

Ja, wir sprechen von der Zukunft der Arbeit und ja, wir sprechen auch von der Zukunft von HR. Aber das bedeutet keineswegs, dass wir den Horizont unserer Entscheidungen und Handlungen ins Morgen schieben dürfen. Die Gegenwart in jeder Firma ist immer einnehmend, es liegt in der Natur der Sache, dass es keine Ruhephasen gibt, in denen man endlich dazu kommt, das zu tun, was man schon lange tun wollte oder sollte. Es gibt immer genau jetzt irgendetwas zu tun, irgendein Task steht zu jedem Zeitpunkt an oder wird an Personalverantwortliche herangetragen. Aber das Dringende war schon seit jeher der Feind des Wichtigen, und niemals war diese Weisheit zutreffender als jetzt.

Umgelegt auf hochproduktive Personalarbeit bedeutet das: Nichts wäre unproduktiver, als Tätigkeiten effizienter zu machen, die in Zukunft gar nicht gemacht werden sollten. Das trans-aktionale „Run the business“ muss zugunsten eines trans-formationalen „Change the business“ in den Hintergrund gedrängt werden.

Es geht um nichts weniger als um die Frage, ob man HR frisches Denken zutraut, wenn es darum geht, die Spielregeln für Menschen und Organisationen neu zu formulieren. In vielen bedeutenden Themen – Nachhaltigkeit, zum Beispiel, oder KI – gibt es jetzt aktuell ein Mondfenster, etwas zu tun, die Organisation neu auszurichten. Es ist eigentlich ganz einfach: Wer jetzt beim Thema KI vorne dabei ist, hat tatsächlichen Wettbewerbsvorsprung. In drei Jahren wird niemand mehr vor dem Ofen hervorgelockt, wenn ein Unternehmen sich nun auch mit KI beschäftigt. Und auch die Position am Markt wird dadurch nicht gestärkt sein – man wird es als völlig selbstverständlich annehmen. Daher Punkt 1: Jetzt sofort mit den wichtigen Themen beginnen.

Punkt 2 schließt daran an, denn natürlich stellt sich die Frage: Was sind die wichtigen Themen? Es gibt niemanden, der Verantwortlichen diese Entscheidung abnehmen kann und es gibt auch niemanden, der ihnen zusichern kann, dass ihre Themenwahl sich als richtig herausstellen wird. Punkt 2 lautet daher:

Mut zeigen, big bold bets eingehen.

Zeiten des Wandels sind immer auch Zeiten der Unsicherheit, wir haben dann ein Übermaß an Information, aber viel zu wenig belastbare Erkenntnisse. Im Gegenteil haben wir in solchen Lagen meistens sogar konfliktierende Datenpunkte: Die einen sagen so, die anderen sagen so. Typische Reaktion darauf: Zuwarten, bis sich der Nebel gelichtet hat, bis die Signale klarer sind. Das ist die abwägende Strategie, aber mit Vorsicht hat das nichts zu tun – nur mit Zögerlichkeit.

Man darf sich immer wieder vor Augen halten: Wir leben in wunderbaren Zeiten des Aufbruchs, in unternehmerischen Zeiten. Und dazu gehört auch Risiko einzugehen, eine Handvoll sogenannter Big Bets einzugehen, mutig große Schwerpunkte zu setzen, mit viel Energie und Ressourcen dahinter, und jedenfalls nicht dem Fehler zu unterliegen, zuzuwarten oder gar halbherzig alles mögliche hier und da ein bissl auszuprobieren.

Damit sind wir auch schon bei Punkt 3: Weiter denken, weiter handeln.

Wenn nun ein Unternehmen eine Handvoll von Big Bets identifiziert hat, was soll dann die Zielvorstellung in diesen Themen sein? Was läßt sich da tatsächlich erreichen, wo liegt der Benchmark?

Meine Empfehlung ist da sehr klar: Lassen Sie sich nicht durch ihre aktuelle Ausgangslage und ihre gegenwärtige Situation beschränken. Ich merke immer wieder, wenn bei einer Konferenz ein sehr progressives Unternehmen aus seiner Praxis berichtet, oder wenn ich einem Klienten Referenzbeispiele aus unserer Arbeit mit anderen Firmen vorstelle: Wenn man selbst gefühlt noch ganz weit hinten ist, dann ist man im Angesicht von sogenannten „Best Practices“ verleitet, in die Demutsrolle zu schlüpfen: Puh, die sind da schon viel weiter als wir, bevor wir dort hinkommen, müssen wir noch eine Menge Hausaufgaben machen, müssen wir uns erst langsam und zäh an einen Status heranarbeiten, bei dem wir dann so ein Projekt überhaupt angehen können, wie das, was wir da in dem Beispiel gerade gesehen haben.

Das mag schon hie und da stimmen, fixing the basics trifft viele Betriebe. Aber ich meine, es ist auch ein Zeichen von selbstgewählter Mutlosigkeit. Disruptionen ermöglichen uns, lineare Entwicklungsschritte zu überspringen, das ist ja das Tolle an sprunghaften Veränderungen. Wer einen lohnenswerten Zielzustand C sieht, und selbst noch bei A steht, sollte sich sehr sehr ernsthaft fragen, ob er wirklich vorher noch von A zu B gehen sollte, oder nicht gleich die Energie aufwendet, um direkt zu C zu springen. Die Arbeitswelt ist aktuell einem so radikalen Wandel unterworfen, dass es wohl auch im Bereich der Personalarbeit mehr braucht, als nur inkrementelle Veränderungen. 

Viertens, Ownership übernehmen – auch über „artfremde“ Themen.

Personalverantwortliche und HR Abteilungen haben selbstverständlich umfassende Kompetenzen im Bereich der Personalarbeit und sind organisatorisch auch entsprechend aufgestellt. Und zu tun gibt es ja wirklich genug, davon war ja bereits die Rede. Jedenfalls bleibt dann meistens wenig Zeit, sich in ganz andere Fachgebiete einzuarbeiten – und in einer arbeitsteilig strukturierten Welt gibt es ja vordergründig auch keine Notwendigkeit dafür.

Wenn HR aber Employer Branding Kampagnen der Marketingabteilung überläßt, KI als Technologie-Thema am Besten beim CIO aufgehoben sieht, und Business Themen ohnehin beim COO oder CFO, dann darf sich niemand wundern, wenn ihm in entscheidenden Diskussionen nur ein nischenhaftes Stimmrecht zukommt.

„A seat at the table“ – Mitsprache bei strategisch entscheidenden Fragen, das wünschen sich Personaler seit jeher. Allerdings: Man sollte sich gut überlegen, was man sich wünscht – es könnte nämlich passieren, dass man es bekommt. Um einen substantiellen Beitrag zur Unternehmensentwicklung leisten zu können, benötigen Personaler inzwischen ein sehr hohes Maß an Business- und Technologie-Kompetenz. Verlangt wird Sattelfestigkeit in Themenfeldern wie Business Development, Strategie, Innovationsmanagement oder eben auch beispielsweise KI – all das nicht gerade die klassischen HR-Themen. 

Wo das gelingt, wird der Personalfunktion echte Thought Leadership zugetraut, als HR Abteilung aber auch persönlich als HR Verantwortliche.

Fünftens: Besinnung auf die Rolle von HR.

Was wie ein Widerspruch zum vorherigen Punkt, in dem ich eine breite thematische Aufstandsfläche angemahnt habe, wirkt, ist es nicht. Denn natürlich meine ich mit der Ausdehnung der Kompetenzen von HR in andere Themenfelder hinein keineswegs eine verwaschene Beliebigkeit des Rollenbildes.

HR ist das Hoheitsgebiet zutiefst menschlicher Entscheidungen. Hier wird über den Erfolg, die Laufbahnen, die Lebenswege von Menschen verhandelt – und zwar von einzelnen Menschen.

Wenn wir über Organisationsentwicklung sprechen, wenn wir Begriffe wie Unternehmenskultur, agile Strukturen, systemisches Change Management in den Mund nehmen, dann bekommt man zuweilen den Eindruck, es mit mehr oder weniger amorphen Massen zu tun zu haben, oder zumindest mit anonymen Mengen: Die Mitarbeiter:innen, die Kandidat:innen, die Top-Talents, usw. Verstärkt wird das durch den seit Jahren gelebten HR Business Partner Ansatz, dass also die operative Personalarbeit der jeweiligen fachlichen Führungskraft obliegt, und nicht der Personalabteilung. Das ist ja auch absolut sinnvoll. Es ermöglicht direkte Personalthemen genau dort anzusiedeln, wo sie im Tagesgeschäft anfallen, nämlich in der Fachabteilung, zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden, und es erlaubt der HR Abteilung, sich Themen mit größerer Hebelwirkung zuzuwenden.

Was aber nicht passieren darf: Dass HR das zentrale Subjekt seiner Tätigkeit aus den Augen verliert, nämlich das H in HR. Damit das gelingt, darf sich HR auch bei großen Transformationen – oder besser gesagt: gerade bei großen Transformationen – nicht hinter wohlfeilen Begrifflichkeiten und Maßnahmen verstecken, sondern muss sehr klar das Ohr am Puls der Menschen haben, die in der Organisation tätig sein.

Das sind sie also, die 5 Prioritäten der HR Arbeit für die Zukunft:

1. Jetzt sofort mit dem Wandel beginnen

2. Mutig sein, big bets eingehen

3. Weiter denken und weiter handeln

4. Ownership übernehmen auch über artfremde Themen

5. Den Menschen im Mittelpunkt behalten.

Der Blick nach vorne:

Zeiten des Wandels sind Zeiten der Verunsicherung. Wir spüren: Das alte verliert zunehmend an Bedeutung, das neue ist noch nicht reif, noch nicht greifbar, wir schweben im Limbo zwischen gestern und morgen. Von HR Abteilungen darf und soll Zuversicht ausgehen, dass der Wandel gelingen kann und gelingen wird. Gefragt ist kein blauäuiger Optimismus, wir haben es schließlich mit Erwachsenen zu tun – aber sehr wohl eine zuversichtliche Perspektive auf die Arbeitswelt von morgen.

Der Ausgangspunkt ist, eine Vision für das eigene Unternehmen zu erarbeiten, gemeinsam mit dem gesamten Führungsteam oder sogar in einem umfassenderern Visionsprozess. Die 5 Prioritäten, die hier vorgestellt wurden, können als Gerüst für einen solchen Prozess dienen.

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Expansion nach Nordamerika: Franz Kühmayer eröffnet neuen Standort in Kanada

Trendforscher und Unternehmensberater Franz Kühmayer expandiert international und gründet mit seiner Strategieberatung REFLECTIONS einen neuen Standort in Montreal, Kanada.

Seine Perspektiven auf die Zukunft von Arbeit, Gesellschaft und Unternehmensführung werden in Beratungsprojekten, Beiräten, Publikationen und Keynotes seit vielen Jahren von führenden Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen in Österreich, Deutschland, der Schweiz und anderen europäischen Ländern hoch geschätzt. Nun expandiert der Experte sein Unternehmen nach Kanada.

„Die Eröffnung des neuen Standorts in Nordamerika erweitert meinen globalen Blick auf die Zukunft nochmals deutlich und wird für meine Kunden in der alten und in der neuen Welt inspirierende Perspektiven eröffnen.“

Franz Kühmayer

The Canadian Dream

Gezielte Investitionsschwerpunkte in Zukunftsbranchen wie Clean Economy und Clean Tech, ein boomender Arbeitsmarkt und eine attraktive Position in relevanten Rankings, wie beispielsweise dem Global Innovation Index machen Kanada zu einem idealen Standort für die Expansion. Die Arbeitsmarktstudie „Decoding Global Talent“ von Boston Consulting reiht Kanada auf Platz 1 der attraktivsten Länder. Politikwissenschaftler Parag Khanna, der als außenpolitischer Berater von Barack Obama tätig war, spricht in diesem Zusammenhang vom „Canadian Dream“.

Die Wirtschaftskammer Österreich unterstreicht in ihrem aktuellen Global Situation Report das Potential für die Expansion nach Kanada und bezeichnet das Land als ideales Eintrittstor in den nordamerikanischen Kontinent: „Kanada ist ein Garant für ein dynamisches BIP-Wachstum“.

Dabei stellt sich insbesondere Montreal als ausgezeichneter Standort dar. In der zweitgrößten Stadt Kanadas haben mehr als 60 internationale Organisationen ihren Sitz, im Industriesektor sind Luftfahrt-, Pharma- und Spitzentechnologieunternehmen vorherrschend. Mit vier Universitäten und mehreren weiteren Hochschulen ist Montreal ein bedeutender Bildungsstandort. Außerdem ist die Stadt ein Knotenpunkt im Schienen- und Straßennetz und verfügt über den größten Binnenhafen auf dem amerikanischen Kontinent.

Darüberhinaus liegen wirtschaftliche Zentren der USA – wie beispielsweise New York oder das Industriegebiet um Detroit und Chicago – ebenso in unmittelbarer geografischer Nähe, wie die universitären Schwergewichte MIT und Harvard.

„Viele der zentralen Entwicklungen unserer Zeit – sei es Elektromobilität, Informationstechnologie oder Biotechnologie – kommen nach wie vor aus Nordamerika. Gerade für einen Europäer lohnt die Frage, wie es hier gelungen ist, aus dem Tal der Tränen der Deindustrialisierung alter Branchen mittels Innovation, Unternehmergeist und mutiger Tatkraft wieder nach vorne zu blicken.“.

Franz Kühmayer

Glokale Expertise

Der neue Standort in Kanada ermöglicht es Kühmayer, internationale Konzerne, die er in Europa seit Jahren strategisch betreut, nun auch in Nordamerika zu begleiten und vor Ort neue Beratungsmandate anzunehmen.

Dabei bleibt der Stammsitz des Unternehmens weiterhin in Wien, wo kürzlich ein neues, repräsentatives Büro am Parkring bezogen wurde. Maßgebliche Beratungsprojekte werden auch in Zukunft aus Österreich heraus vorangetrieben werden. Die Kombination aus der neuen globalen Perspektive und der bewährten lokalen Expertise am europäischen Markt stärkt die Marktposition von REFLECTIONS nachhaltig – das beratungsunternehmen ist damit tatsächlich ‚glokal‘ aufgestellt.“

„Neben dem neuen Standort in Montreal habe ich große Pläne für Innovationen am Heimmarkt in Österreich, die ich im Herbst vorstellen werde.“.

Franz Kühmayer

Franz Kühmayer wird regelmäßig an beiden Standorten Wien und Montreal präsent sein und steht seinen Kunden sowohl in Europa, wie auch in Nordamerika, und darüberhinaus selbstverständlich auch ortsunabhängig über digitale Medien zur Verfügung.

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Impressum und Kontakt

Franz Kühmayer ist einer der einflussreichsten Vordenker zur Zukunft der Arbeit.

 

Kontakt: hallo @ franzkuehmayer.com